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Foto: Kinderfüße stehen auf einer Waage. Im Vordergrund liegt ein aufgerolltes Maßband.
Marija Stepanovic / Shutterstock.com

Essstörungen

Heute sind Essstörungen als Krankheit anerkannt, ihre Symptome sind beschrieben und die Ursachen werden erforscht.

Was sind Essstörungen?

Obwohl Essstörungen als moderne Zivilisationskrankheit gelten, gibt es historische Zeugnisse, die belegen, dass dieses Krankheitsbild auch schon früher existiert hat. So zum Beispiel bei der berühmten österreichischen Kaiserin Sissi im 19. Jahrhundert, die in ihrem Tagebuch den Verlauf ihrer Magersucht mit allen Begleiterscheinungen unwissentlich genau beschrieben hat.

Nicht jedes gestörte Essverhalten ist krank, sondern häufig der Versuch, durch mehr oder weniger strenge Diäten die gewünschte Figur zu bekommen.

Unsere "Wohlstandsgesellschaft" neigt durch falsche Ernährungsgewohnheiten und mangelnde Bewegung eher zu Übergewicht. Das herrschende Schönheitsideal fordert jedoch den schlanken und durchtrainierten Körper.

Es gibt ganze Fitness- und Nahrungmittelsindustrien, die mit den unterschiedlichsten Mitteln und Methoden diese schwierige Kontrolle des Essverhaltens erleichtern wollen und damit auch den Körperkult fördern, meist jedoch das Problem verschärfen.

Übergewichtige, insbesondere junge Menschen gelten als träge, willensschwach und wenig leistungsbewusst, sodass sie auch tatsächlich — zum Beispiel im Berufsleben — oft schlechtere Chancen haben. So wundert es nicht, dass immer häufiger der Versuch unternommen wird, dem durch eine Steuerung bzw. Kontrolle des Essverhaltens entgegenzuwirken.

Bei den Essstörungen im medizinischen Sinn nimmt dieses reglementierte Essverhalten immer zwanghaftere Züge und Formen an:

  • Untergewicht (mind. 15 % unter dem zu erwartenden Gewicht) und abgemagerte Figur,
  • große Angst vor Gewichtszunahme,
  • verzerrte Wahrnehmung der eigenen Figur
  • extrem vom Gewicht abhängiges Selbstwertgefühl,
  • häufig ist eine geringe Krankheitseinsicht vorhanden,
  • Ausbleiben der Menstruation oder Störung der Potenz bei Jungen und Männern.

  • Unteres Normalgewicht und sehr schlanke Figur,
  • Heißhungerattacken werden mit Mengen an kalorienreicher Nahrung gestillt, die danach häufig erbrochen wird,
  • Ersatzhandlungen zur Vermeidung von Gewichtszunahme wie zum Beispiel exzessiver Sport,
  • Heißhungerattacken, Erbrechen und Ersatzhandlungen werden mindestens zweimal pro Woche über mindestens drei Monate beibehalten,
  • ausgeprägte Abhängigkeit des Selbstwertgefühls von Gewicht und Figur.

  • Wiederholte Phasen von Heißhungerattacken,
  • diese treten gemeinsam mit mindestens drei der folgenden Symptome auf:
  • schnelles Hineinschlingen der Nahrung,
  • Essen bis zu einem unangenehmen Völlegefühl,
  • Essen großer Mengen ohne Hungergefühl,
  • heimliches Essen aus Scham über die Mengen,
  • Ekelgefühle, Deprimiertheit, Schuldgefühle wegen des Kontrollverlusts und der Menge des Essens;
  • die Heißhungerattacken treten an mindestens zwei Tagen in der Woche über sechs Monate auf.

Folgen von Essstörungen

Organisch-medizinische Nebenwirkungen machen sich durch Zahnkaries und Drüsenschwellungen im Gesicht, durch Herz-Kreislaufstörungen, Entzündungen im Magen-Darm-Trakt, durch Stoffwechsel- und Hormonstörungen, Hautveränderungen, Nierenschädigung und im Nervensystem bemerkbar.

Dazu kommt häufig noch die Einnahme von Arzneimitteln zur Unterstützung des Fastens bzw. zur Entleerung des Körpers, auch kombiniert mit Psychopharmaka zur Aufrechterhaltung des Leistungsvermögens.

Dabei sind insbesondere bei der Magersucht nicht nur die Mangel- und Folgeerscheinungen zu diagnostizieren, sondern durch extremes Untergewicht oft auch eine akute Lebensbedrohung.

Typisch für alle Formen ist auch die zunehmende Einengung des Alltags auf das Essen bzw. seine Vermeidung, sodass über kurz oder lang auch die Alltagsverpflichtungen und sozialen Beziehungen vernachlässigt werden oder am Ende nicht mehr aufrechterhalten werden können.

Was sind Ursachen der Essstörungen?

Essstörungen haben nie nur eine Ursache. Sie entstehen durch ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren.

Jede Essstörung ist anders. Es ist immer ein Zusammentreffen von verschiedenen Faktore, aus dem Umfeld, den biologisch/genetischen Bedingungen, den familiären Einflüssen und den eigenen individuellen Faktoren und Charakterzügen.

Aus diesem Grund sollten weder Betroffene noch Angehörige oder Partnerinnen und Partner sich fragen, ob sie Schuld an der Entstehung der Essstörung haben. Denn die Beschäftigung mit der Schuldfrage hilft im Heilungsprozess nicht weiter. Manche Faktoren können nicht beeinflusst werden oder können zumindest heute nicht mehr verändert werden. Die Suche nach den Ursachen ist dennoch notwendig, um die Entstehung der Erkrankung zu verstehen und um beeinflussbare Faktoren positiv zu verändern.

Nahezu alle Betroffenen weisen eine Selbstwertproblematik auf, häufig auch ein hohes Bedürfnis nach Kontrolle und eine große Leistungsorientierung.

Was die Essstörung letztlich auslöst ist auch sehr unterschiedlich. Das können familiäre Probleme, Mobbing, der Verlust einer lieben Bezugsperson, traumatische Erlebnisse aber auch kritische Lebensereignisse, die nicht mehr mit den eigenen Ressourcen bewältigt werden können, sein.

In den Familien ist es häufig so, dass Konflikte nicht offen ausgetragen werden und versucht wird, ein harmonisches Bild nach innen und nach außen aufrechtzuerhalten. Das löst oft hohe Erwartungen aus und führt zu einer Überforderung der Betroffenen. Sie versuchen in der Folge alles perfekt zu machen und stellen an sich selbst hohe Leistungsansprüche.

Häufig wird dadurch, dass die Betroffenen weiter funktionieren und ihre Disziplin und Leistungsbereitschaft positiv bewertet wird, das Leiden übersehen und auch die Betroffenen selbst sehen erst sehr spät die negativen Folgen. Die mangelnde Krankheitseinsicht macht die therapeutischen Bemühungen zu Beginn der Behandlung oft sehr schwer.

 

Web-Coaching für Eltern
Ess-Störungen und Medien

Eine sehr schlanke Barbie-Figur steht vor einem Spiegel. Im Spiegelbild erscheint sie dicker.
Tatyana Dzemileva / Shutterstock.com

Woran erkennen Eltern, dass ihre Kinder von Essstörungen bedroht oder schon betroffen sind?

Häufigen ziehen sich die Kinder stark zurück, nehmen an gesellschaftlichen Ereignissen nicht mehr teil. Sie verändern sich, lachen weniger als früher, wirken ernst und unzugänglicher.

Bezogen auf das Essen entwickeln sie besondere Vorlieben, stellen Regeln auf für die ganze Familie. Viele beginnen auch sich viel mit Kochen zu beschäftigen und kochen für andere, ohne selbst mitzuessen. Manche versuchen so auch die Kontrolle über die Auswahl der Gerichte und die verwendeten Lebensmittel zu haben.

Oft hören Eltern Sätze wie "Ich habe schon in der Schule/bei Freundinnen oder Freunden usw. gegessen".  Manchmal lassen sich auch Lebensmittel im Zimmer finden oder verschwinden bei Essanfällen aus dem Kühlschrank.

Sie stellen die Leistung in den Vordergrund, lernen viel und sind sehr ehrgeizig.

Natürlich sollten Eltern auch Diäten, Nahrungsumstellungen und eine Gewichtszunahme oder -abnahme stutzig machen.

Wie können Eltern bei Essstörungen helfen?

Eltern sind bei Essstörungen ihrer Kinder gefordert, zumal wenn es sich um lebensbedrohliche Zustände wie bei einer Magersucht oder um die Exzesse einer Bulimie handelt.

Sie sollten sich selbst gegenüber ehrlich und ohne Schuldgefühle überlegen, was sie als Mutter und als Vater daran ändern können. Dazu ist es notwendig, sich füreinander Zeit zu nehmen und sich gegenseitig gut zuzuhören und sich gegebenenfalls auch Hilfe holen, selbst wenn die oder der Betroffene noch nicht dafür bereit ist.

Betroffene sind meistens nicht in der Lage zu sagen, was ihnen guttut. Deshalb geben ehemalige Patientinnen und Patienten folgende Ratschläge an Eltern, wie sie sich am besten verhalten können, um ihrem Kind aus seiner Not zu helfen.

Ratschläge zum Thema Essstörungen von Patientinnen und Patienten:

  • Nicht direkt auf das Essen, Gewicht oder Figur ansprechen, sondern fragen, wie es geht.
  • Ausreden wie "Schuld sind die Schilddrüse oder die Verdauung!" kritisch hinterfragen und die Probleme dahinter kennen lernen.
  • Anerkennung und Lob aussprechen, Leistung nicht als etwas Selbstverständliches betrachten.
  • Mehr Aufmerksamkeit schenken und akzeptieren, dass Kinder sich loslösen wollen.
  • Anstatt nur über Essprobleme zu diskutieren, lieber in eine Beratungsstelle gehen.
  • Keinen Zwang – auch nicht zu einer Therapie – auferlegen oder selbst Initiativen starten, sondern Eigeninitiative beim Kind anregen und unterstützen.
  • Die Essstörungen nicht totschweigen, sondern sachlich darüber sprechen.
  • Nicht zum Essen zwingen oder dazu überreden, denn Betroffene können nicht mehr normal essen.
  • Eltern sollten nicht in die Rolle von Therapeutinnen oder Therapeuten oder der besten Freundin oder besten Freundes schlüpfen.
  • Das Kind nicht nur auf die Essstörungen reduzieren, sondern die ganze Person wahrnehmen; sie aber auch nicht wie ein "rohes Ei", sondern ganz normal behandeln.
  • Sich über die Krankheit gründlich informieren.
  • Sich selbst Hilfe bei einer Elterngruppe suchen und sich nicht die alleinige Schuld an der Krankheit geben, das entlastet die Betroffenen.

Weitere Tipps, wo Sie Hilfe bei Esstörungen finden:

Bei allen Essstörungen sollte auf jeden Fall regelmäßig eine ärztliche Kontrolle durchgeführt werden.

Bei lebensbedrohlichen Zuständen wie bei einer Magersucht sollte möglichst frühzeitig eine Klinik aufgesucht werden.

Parallel dazu, am besten durch eine Elterngruppe oder Beratungsstelle unterstützt, können Eltern ihr Kind auf dem Weg in eine Therapie behutsam begleiten.

Sie sollten sich über die Möglichkeiten informieren und auch zu einer Familientherapie bereit sein. Informationen zu den Möglichkeiten der Hilfe können Sie sich beim örtlichen Jugendamt und bei Erziehungsberatungsstellen oder psychosozialen Beratungsstellen holen oder in manchen Orten bei Selbsthilfegruppen für Essstörungen. Es gibt auch immer mehr Online-Beratungsstellen, die kompetent und falls gewünscht auch anonym weiterhelfen können.

Stationäre Therapien werden in der Regel in psychosomatischen Kliniken angeboten, deren Adressen Sie bei einer Beratungstelle erfahren können.

Worauf sollten Eltern achten, um Essstörungen vorzubeugen?

Aus den hier nur ansatzweise beschriebenen Ursachen geht hervor, dass bei der Entwicklung von Essstörungen die Erwartungen der Eltern an die Kinder und das Familienklima eine große Rolle spielen können.

Hier können sich Eltern selbstkritisch hinterfragen, mit welchen Erwartungen sie ihre Kinder erziehen und ob ihre Ziele auch den persönlichen Wünschen und Möglichkeiten ihrer Kinder gerecht werden.

Kinder wollen sich natürlich den Anforderungen stellen und ihren Eltern nacheifern. Deshalb kann es schnell zu Überforderungen oder Fehleinschätzungen kommen, wenn man diese Voraussetzungen aus dem Blick verliert. Leistungsdruck und falscher Ehrgeiz, vielleicht noch gepaart mit zeitlich und emotional gestressten Eltern, sind dabei schlechte Ausgangsbedingungen.

Umgekehrt bedeutet dies, dass

  • Kinder in ihrer ganzen Persönlichkeit und ihren individuellen Bedürfnissen wahrgenommen werden müssen;
  • Kinder intensive Zuwendung und Anerkennung brauchen, um auch Grenzen gegenüber Überforderungen selbst zu erkennen und für sich zu akzeptieren;
  • Kinder ein gesundes Selbstwert- und Körpergefühl entwickeln müssen;
  • Kinder in der Wahrnehmung ihrer Sinne gefördert und gestärkt werden;
  • Kinder Geborgenheit und verständnisvolle Eltern brauchen, die ihnen ein Vorbild sind.

Bei Essstörungen spielen selbstverständlich auch die Essgewohnheiten in der Familie und damit verbundene Familienrituale eine große Rolle.

Kinder, die den Wert einer gesunden Ernährung kennen (auch wenn sie manchmal dagegen rebellieren!) und ein Familienleben erfahren, in dem gemeinsame, möglichst genussvolle Mahlzeiten – zumindest am Wochenende und an Feiertagen – üblich sind, werden die Nahrung und das Essen weniger "missbrauchen" als Kinder, die diese Wertschätzung nicht kennen.

Essen und Süßigkeiten sollten auch nur begrenzt als Belohnung, Druckmittel oder Trostpflaster im Sinne von "Wenn du schön brav bist, bekommst du einen Hamburger!" oder "Sei nicht traurig, hier hast du einen Schokoriegel!" benutzt werden.

Auf der anderen Seite spricht auch nichts dagegen, ab und zu ins Schnellrestaurant zu gehen und das Kind seine Wahl treffen zu lassen.

Ein gesundes Verhältnis zum Essen entwickeln auch Kinder, die ihre Lieblingsessen selbst zusammenstellen und kochen können – also kompetente Ernährungsspezialisten in eigener Sache sind.

Hier finden Sie mehr Informationen zur gesunden Ernährung.

Kurzfilm über Essstörungen: Was geht in Betroffenen vor?

In drei Kurzfilmen über Essstörungen zeigt die BZga: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung die Ursachen und Hintergründe über Essstörungen auf.